Krafttraining
Die Übungsreihenfolge "von den großen zu den kleinen Muskeln" ist sinnvoll, aber nicht zwingend
Muskeltraining ist die effektivste Maßnahme, um die schädlichen Auswirkungen des Alterns und der Inaktivität auf die neuromuskuläre Funktion abzuschwächen (1). Der mannigfaltige Nutzen speziell für ältere Erwachsene, der mit dem Krafttraining assoziiert wird, hängt dabei vom korrekten Einsatz der Trainingsvariablen ab. Nebst der Intensität und dem Volumen gilt es bei der Trainingsempfehlung auf die Reihenfolge der Übungen zu achten.
Das zweite Trainingsprinzip von Kieser Training definiert, dass wir uns beim Training wenn möglich an die Reihenfolge des Programms halten sollen. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass es nicht die perfekte Reihenfolge für jeden Menschen gibt. Bei der Wahl der Reihenfolge gilt es mehrere Faktoren zu beachten.
"Problemzonen" haben oberste Priorität
Untersuchungen haben gezeigt, dass die Übungsreihenfolge die akuten als auch langfristigen Resultate bzgl. Anpassung beeinflussen kann. Sie schlussfolgern, dass gewisse Übungen oder Muskeln priorisiert werden müssen, indem diese zu Beginn einer Trainingseinheit ausgeführt werden (2). So trainieren Sie auch bei Kieser Training zuerst die Problembereiche, wenn diese vorhanden sind, wie z.B. die A5 Kontraktion der Beckenbodenmuskulatur.
Einfluss der Extremitäten für das Ganzkörpertraining
Unter Anbetracht des altersassoziierten Muskelschwundes, welcher sich vor allem in den Extremitäten bemerkbar macht und die Beinmuskulatur diejenige ist, die den größten Anteil daran ausmacht, macht es durchaus Sinn, dieser zu Beginn eines Trainings viel Aufmerksamkeit zu schenken.
Einfluss der Übungsreihenfolge auf das Belastungsempfinden
In einer Untersuchung von Nunes und Kollegen (3) ging man der Frage nach, ob verschiedene Übungsanordnungen sich akut unterschiedlich auf das Belastungsempfinden älterer Damen auswirken können. Die Belastung wurde so angepasst, dass es für die Teilnehmerinnen möglich war, innerhalb der festgelegten Wiederholungszone bis zur muskulären Erschöpfung zu trainieren. Die Autoren kamen zum Schluss: Wenn in einer Trainingssitzung zunächst Übungen für den Unterkörper durchgeführt werden, resultiert ein niedrigeres Belastungsempfinden des gesamten Trainings. Dies sollte eigentlich keine Überraschung sein. Versuchen Sie mal am Ende eines hoch-intensiven Muskeltrainings noch die Beinpresse B6 auszuführen. Einige von Ihnen mögen dies ohne Probleme hinkriegen, die meisten werden, sofern sie wirklich intensiv trainiert haben, keine Motivation mehr haben, diese Übung auszuführen. Sie ist sehr intensiv und involviert dazu noch sehr viel Muskulatur. Die Reihenfolge kann sich also entscheidend auf die Willensstärke im Training auswirken.
Unsere Empfehlung lautet: Beginnen Sie Ihr Training entweder mit den Übungen für die großen Muskeln oder mit denen, welche aus Gründen erhöhter Aufmerksamkeit priorisiert werden müssen. Eine hohe Bewegungsqualität kann während der Übungsausführung nur dann aufrechterhalten werden, wenn das „schwächste Glied der Kette" noch nicht erschöpft ist, sprich Sie trainieren von den großen zu den kleinen Muskeln. In der Praxis sollten Sie deshalb mit den Gesäß-, Oberschenkel-, Bauch- und untere Rückenmuskeln starten. Danach folgen die oberen Rücken-, Brust- und Schultermuskeln, Muskeln der Oberarme, des Halses sowie der Unterschenkel und Unterarme.
Auf die Gelenke übertragen heißt das:
1. Hüftgelenk
2. Kniegelenk
3. Lendenwirbelsäule
4. Schultergelenk
5. Ellbogengelenk
6. Halswirbelsäule
7. Fußgelenk
8. Handgelenk
Die Reihenfolge "von den großen zu den kleinen Muskeln" ist sinnvoll, zwingend ist sie nicht. Eine andere Reihenfolge kann unter bestimmten Zielvorgaben – z. B. in der Rehabilitation – zweckmäßiger sein.
Weiterführende Informationen zu diesem Thema finden Sie in den Werken "Ein starker Körper kennt keinen Schmerz" (S. 56) und "Krafttraining in Prävention und Therapie" (Kap. 13). Die beiden Bücher erhalten Sie in jedem Kieser Training-Studio.
Quellen:
1. Westcott WL (2012) Resistance training is medicine: effects of strength training on health. Curr Sports Med Rep 11:209–216
2. Carpinelli RN (2013) Does the sequence of exercise in a resistance training session affect strength gains and muscular hypertrophy? A critical examination of the evidence. Med Sport 15
3. Nunes JP, Marcori AJ, Tomeleri CM, et al (2019) Starting the Resistance-Training Session with Lower-Body Exercises Provides Lower Session Perceived Exertion without Altering the Training Volume in Older Women. 11