Ernährung
Protein – der Stoff, aus dem die Muskeln sind
Bei Muskeln und Ernährung denken wir an Popeye, die Zeichentrickfigur mit schiefem Gesicht, Kapitänsmütze und diesen überdimensionierten Unterarmen. Der Matrose schluckte büchsenweise Spinat, um so Megakräfte zu entwickeln. Spinat galt damals aufgrund des angeblich hohen Eisengehalts als Stärkungsmittel. Wie sieht das heute aus: Welche Nahrungsmittel eignen sich tatsächlich für den Muskelaufbau?
Einleitung
Eiweiß ist der Hauptbaustein Ihres Muskels. Somit eignen sich Nahrungsproteine für den Muskelaufbau. Die Proteinsynthese ist der Prozess der Bildung neuer Proteine. Dieser Prozess findet in allen Organen statt. Die Muskelproteinsynthese ist der Prozess des Aufbaus von spezifischem Muskelprotein. Stellen Sie sich einen Muskel wie eine Wand vor. Jeder Baustein ist ein Protein bzw. eine Aminosäure. Die Muskelproteinsynthese ist das Hinzufügen neuer Bausteine zur Wand. Das würde bedeuten, dass die Wand immer größer und größer wird. Es gibt jedoch einen gegenläufigen Prozess. Auf der anderen Seite der Wand findet ein Prozess statt, bei dem Ziegelsteine entfernt werden. Dieser Prozess wird als Muskelproteinabbau bezeichnet. Die Geschwindigkeit dieser beiden gegenläufigen Prozesse bestimmt die Nettoveränderung der Wand. Wenn die Muskelproteinsynthese den Muskelproteinabbau übersteigt, wird die Wand größer (Ihre Muskeln wachsen). Wenn der Muskelproteinabbau die Muskelproteinsynthese übersteigt, schrumpft die Wand (Sie verlieren Muskelmasse).
Brauche ich eine spezielle Ernährung für den Muskelaufbau?
Eigentlich nicht – Ihr Nährstoff- und Kalorienbedarf kann durch eine ausgewogene und vollwertige Ernährung sichergestellt werden. Oft mangelt es allerdings an der Ausgewogenheit auf dem Teller. Damit aber ein Krafttraining letztendlich zu einer Erhöhung der Muskelmasse führen kann, muss dem Körper Nahrungsprotein zugeführt werden. Die Grundbausteine von Proteinen sind die Aminosäuren. So, wie eine Mauer Ziegelsteine benötigt, um Reparatur oder Wachstum zu gewährleisten, repariert sich oder wächst der Muskel nur mit den Aminosäuren. Nahrungsfette sind für den Muskelproteinstoffwechsel ebenfalls von Vorteil. Hierbei sollte ein Augenmerk auf die mehrfach ungesättigten Fettsäuren gelegt werden. Diese finden Sie z.B. in Rapsöl, Olivenöl, Leinöl, Bio-Milchprodukten, Nüssen und fettem Meeresfisch.
Welcher Eiweißbedarf ist ausreichend und notwendig?
20 Gramm Protein pro Mahlzeit ergeben einen nahezu maximalen Anstieg der Muskelaufbaurate nach einem Krafttraining. Eine Erhöhung auf 40 Gramm Protein führt zu einer etwa 10 bis 20 Prozent höheren Muskelproteinsyntheserate (1, 2, 3).
Wenn die Daten mehrerer Studien kombiniert wurden und die Proteinmenge pro Körpermasse ausgedrückt wurde, ergab sich, dass durchschnittlich 0,25 Gramm Protein pro Kilogramm Körpermasse pro Mahlzeit die Muskelproteinsynthese optimieren würde. Es wird zusätzlich empfohlen, eine Sicherheitsmarge einzuführen, um der interindividuellen Variabilität Rechnung zu tragen, was zu einer Proteindosis von 0,4 Gramm pro Kilogramm Körpermasse pro Mahlzeit führt, die die Muskelproteinsynthese optimal stimulieren würde.
Welche Proteinquellen eignen sich?
Proteinquellen unterscheiden sich in ihrer Fähigkeit, die Muskelaufbauraten zu stimulieren. Die Haupteigenschaften, die die muskelaufbauende Wirkung des Proteins bestimmen, sind seine Verdauungsrate und seine Aminosäurezusammensetzung (insbesondere Leucin). Der Leucin-Gehalt einer Mahlzeit ist eine wichtige Determinante des muskelaufbauenden Potenzials dieser Mahlzeit. Suboptimale Proteinmengen können mit Leucin ergänzt werden, um die Reaktion des Muskelproteins zu verbessern. Vollwertkost kann die Muskelproteinsynthese ebenfalls wirksam stimulieren. Über die Reaktion von Muskelproteinen auf große Mischmahlzeiten, die aus Vollwertprotein-, Kohlenhydrat- und Fettquellen bestehen, ist aber bis anhin noch wenig bekannt.
Nahrungsmittel, die a) für sich allein und b) in der richtigen Menge den Muskelaufbau maximal anregen, bezeichnen wir als hochwertig. Vereinfacht kann man sagen, dass tierische Proteine in Bezug auf den Muskelaufbau hochwertiger sind als pflanzliche. Das schließt aber nicht aus, dass sich pflanzliche Nahrungsproteine ebenfalls für den Muskelaufbau eignen. Hier geht es dann im Rahmen einer abwechslungsreichen Ernährung verstärkt darum, verschiedene Proteinquellen zu kombinieren und so darauf zu achten, dass dem Körper alle essenziellen Aminosäuren zur Verfügung stehen. Für Proteine sind die besten natürlichen tierischen Quellen Fleisch und Fisch. Zu den bedeutsamsten vegetarischen Eiweißquellen zählen wie erwähnt Milch, Milchprodukte und Eier. Die besten veganen Quellen scheinen Nüsse, Mandeln und Hülsenfrüchte wie Soja zu sein. Alle Produkte sollten möglichst naturbelassen sein.
Was esse ich am besten nach dem Training?
Krafttraining verbessert die Reaktion des Muskelproteins auf die Einnahme von Protein über mindestens 24 Stunden (4). Es ist möglich, dass die Synergie zwischen Muskeltraining und Proteineinnahme unmittelbar nach dem Training am größten ist und dann in den nächsten 24 Stunden langsam abnimmt. Daten deuten jedoch nicht darauf hin, dass die Aufnahme von Protein unmittelbar nach dem Training massiv vorteilhaft ist und dass es ein begrenztes Zeitfenster dafür gibt, das sich innerhalb weniger Stunden schließt. Insgesamt wurde in Studien zur Messung der Muskelproteinsynthese kein klarer Vorteil einer unmittelbaren Proteinzufuhr nach dem Krafttraining gefunden. Somit gilt: Sorgen Sie zeitlich unabhängig von Ihrem Krafttraining für eine hinreichende Zufuhr von Nahrungsproteinen. Ob dies unmittelbar nach dem Krafttraining oder etwas verzögert stattfindet, ist wahrscheinlich von untergeordneter Wichtigkeit.
Wie verteile ich die gesamte Proteinmenge am besten?
Eine ausgewogene Verteilung der Proteinzufuhr auf Frühstück, Mittag- und Abendessen stimuliert die Muskelaufbaurate wirksamer als der Verzehr des größten Teils des täglichen Proteins während der Abendmahlzeit (5). Die Zufuhr von 20 Gramm Protein alle drei bis fünf Stunden stimuliert die Muskelaufbaurate stärker als die Zufuhr der gleichen Menge Protein in weniger regelmäßigen Dosen (40 Gramm alle sechs Stunden) oder in regelmäßigeren Dosen (10 Gramm alle 1,5 Stunden) (6). Die Muskelproteinsyntheseraten werden also nicht nur durch die Gesamtproteinzufuhr, sondern auch durch das Muster der Proteinzufuhr bestimmt. Verteilen Sie die gesamte Menge auf mehrere Mahlzeiten am Tag im Abstand von drei bis fünf Stunden.
Schlussfolgerungen
Obwohl der Abbau von Muskelproteinen ein wichtiger Prozess ist, schwankt er nicht sehr stark, was ihn für den Muskelaufbau weit weniger wichtig macht als die Muskelproteinsynthese.
Wie man die Muskelproteinsynthese optimiert:
- Trainieren Sie jede Muskelgruppe mindestens ein bis zweimal pro Woche.
- Trainieren Sie mit einer hohen Anstrengung, d.h. bis zur muskulären Erschöpfung.
- Essen Sie drei bis fünf Mahlzeiten über den Tag verteilt: z.B. Frühstück, Mittagessen, Snack nach dem Training, Abendessen und Snack vor dem Schlafengehen.
- Essen Sie alle drei bis fünf Stunden eine Mahlzeit.
- Essen Sie 20–40 Gramm Protein zu jeder Mahlzeit. Mengen über 20 Gramm ergeben einen kleinen Zusatznutzen.
- Wählen Sie tierisches Eiweiß, oder kompensieren Sie dies durch den Verzehr einer größeren Menge pflanzlichen Proteins.
Quellen:
(1) Moore DR, Robinson MJ, Fry JL, Tang JE, Glover EI, Wilkinson SB, et al. (2009) Ingested protein dose response of muscle and albumin protein synthesis after resistance exercise in young men. Am J Clin Nutr 89: 161–168.
(2) Witard OC, Jackman SR, Breen L, Smith K, Selby A, Tipton KD (2014) Myofibrillar muscle protein synthesis rates subsequent to a meal in response to increasing doses of whey protein at rest and after resistance exercise. Am J Clin Nutr 99: 86–95.
(3) Macnaughton LS, Wardle SL, Witard OC, McGlory CS, Hamilton DL, Jeromson ST, et al (2016) The response of muscle protein synthesis following whole-body resistance exercise is greater following 40 g than 20 g of ingested whey protein. Physiol Rep 4:e12893.
(4) Burd NA, West DW, Moore DR, Atherton PJ, Staples AW, Prior T, Tang JE, Rennie MJ, Baker SK, Phillips SM (2011) Enhanced amino acid sensitivity of myofibrillar protein synthesis persists for up to 24 h after resistance exercise in young men. J Nutr 141: 568–573.
(5) Mamerow MM, Mettler JA, English KL, et al (2014) Dietary Protein Distribution Positively Influences 24-h Muscle Protein Synthesis in Healthy Adults. J Nutr 144: 876–880.
(6) Areta JL, Burke LM, Ross ML, Camera DM, West DW, Broad EM, Jeacocke NA, Moore DR, Stellingwerff T, Phillips SM, Hawley JA, Coffey VG (2013) Timing and distribution of protein ingestion during prolonged recovery from resistance exercise alters myofibrillar protein synthesis. J Physiol (London) 591: 2319–2331.